Ich bin Chardonnay-Fan. There, I said it.
Ich habe festgestellt, dass dieses Verhältnis zur Königin der weißen Burgundersorten in Deutschland manchmal gar nicht für jeden selbstverständlich ist (versierte Weintrinker mal ausgenommen). Weltweit sind ca. 200.000 ha Rebfläche mit Chardonnay bestockt. Chardonnay an sich liegt als Sorte in der Rangliste der meist angebauten Rebsorten auf Platz 5 (2010) nach Cabernet Sauvignon, Merlot, Airén und Tempranillo. Die berühmtesten (und vermutlich besten) Weine wachsen in den burgundischen Weinbaugebiete der Côte de Beaune, aber auch in der Champagne spielt Chardonnay eine gewichtige Rolle. Es ist aber vor allem eine international sehr erfolgreiche weiße Rebsorte.
Im Riesling- und Müller-Thurgau-Land sind Weine mit Textur (oft etwas ölig, mit Grip) nicht immer gern getrunken. Chardonnays sind eben oft Weine mit Aromen, die außerhalb des typischen fruchtig-floralen Spektrums spielen. Gut gemacht sind sie aber nicht immer. Oft springen einen – gerade aus Übersee – die Holzaromen förmlich an und die Weine geraten sehr fett und reichhaltig, haben viel Alkohol. Wenn die Weine allerdings Zug und Säure haben, sind das schnell ganz große Trinkerlebnisse. Auch in Deutschland nimmt daher ihr Anbau langsam, aber beständig zu. Alljährlich kommen bis zu 100 Hektar dazu. Mit ca. 2.377 Hektar Anbaufläche 2020 bildet Chardonnay aber immer noch nur knapp 2,5 % der Gesamtrebfläche ab.
Fritz Kellers 2018 Oberbergener Bassgeige ist mir bei meinem EDEKA-Wocheneinkauf quasi in den Einkaufswagen gefallen. Das Etikett, der Lagenname und der VDP Adler springen einfach auch ins Auge. Denn: Die Bassgeige ist eine berühmte Lage direkt am Kaiserstuhl, Deutschlands wärmster und trockenster Weingegend. Sie war historisch lange eine reine Grauburgunder-Lage.
Dies galt so sehr, dass „ich trink ne Bassgeige“ in den 60ern und 70ern synonym zu „ich trinke Grauburgunder“ war. International ist der Chardonnay allerdings wesentlich erfolgreicher als der Grauburgunder und wird in der Machart oft moderner interpretiert, als das die Bassgeige historisch abbildet. Spätestens seit Friedrich Keller Jr. das Weingut übernommen hat, dürften am Kaiserstuhl Bestrebungen zugenommen haben, diesen Weg einige Schritte mit zu gehen.
Als Mitglied im VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) klassifiziert Keller seine Weine im Lagensystem. Ganz nach dem Vorbild Burgund. Die Bassgeige ist damit eine erste Lage, ein Premier Cru.
Dieses implizite Versprechen hält der Wein nicht ganz. Für 14 Euro erwarten einen hier grüne und gelbe Frucht (Birne, Apfel, Zitrone), eine für 2018 in dieser Lage ansprechende Säure, bei erstaunlicherweise nur 12 Vol. – % Alkohol (was für eine frühe Lese, gerade im warmen Jahr 2018 spricht) und vanillige Holztöne. Keller lässt laut kurzer Online-Recherche den Wein für 1 Jahr im großen Holzfass.
Das hat mich ein wenig überrascht, da ich doch viel Holz wahr genommen habe und große Fässer wegen des Oberflächen/Volumen-Verhältnisses einfach weniger Holz an den Wein abgeben. Vermutlich war das Fass aber ziemlich neu.
Denn: auf den ersten Blick ist der Wein direkt nach dem Öffnen noch nicht rund. Da ist einiges an Grip auf der Zunge, das Holz wirkt etwas wild eingebunden. „Nicht so schlecht, aber das muss man mögen“, denke ich und stelle das Glas kurz zur Seite. 10 Minuten im Burgunderkelch wirken allerdings Wunder und der Wein wirkt direkt viel balancierter und saftiger und passt damit hervorragend zu Käse und Abendbrot, was sich Monja und ich haben schmecken lassen.
Fazit:
Das ist ein guter Wein und sehr guter Essensbegleiter. Und für 14 Euro ist das ein fair bepreister, hochwertiger Wein. Obwohl ich eigentlich kein Grauburgunder-Fan bin, würde ich die klassische und kultige Bassgeige diesem Chardonnay aus der gleichen Lage allerdings vermutlich vorziehen.
87/100
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